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First-Draft-Partner im Gespräch: Samuel Laurent, Redakteur, Le Monde

Der Le-Monde-Redakteur erzählt First Draft von seiner Arbeit im Kampf gegen Fehlinformationen und seinen zukünftigen Projekten

le monde

Samuel Laurent ist Redakteur für Le Monde und Leiter von Les Décodeurs, einem Projekt der Zeitung zur Prüfung von Fakten und Aufdeckung von Falschmeldungen. Er fing 2010 bei Le Monde an und machte nach den französischen Präsidentschaftswahlen 2012 aus dem kleinen Aufklärungsblog Les Décodeurs, der auf der Webseite der Zeitung erscheint, ein Zuhause für Faktenprüfung und Datenjournalismus. Inzwischen ist das Décodeurs-Team auf 12 Mitglieder angewachsen und steht Anfang Februar kurz vor dem Launch des vielschichtigen Tools ‘Decodex‘, welches eine Datenbank von über 600 Webseiten verwendet, um Nutzer besser über von ihnen besuchte Webseiten zu informieren, so Laurent.

Welche 3 Tools verwenden Sie am liebsten für Ihre Arbeit?

Ich benutze oft Tweetdeck, um Falschmeldungen und Behauptungen zu finden, die überprüft werden müssen. Um gefälschte Bilder zu entlarven, nutze ich die umgekehrte Bildersuchfunktion von Google. Und dann gibt es noch einen Satz unseres eigens entwickelten Tools zur Datenvisualisierung namens Grumpycharts – einer unserer Datenjournalisten hat es entwickelt und er ist ein ziemlich mürrischer Typ (also grumpy auf Englisch).

Welche Geschichte oder welches Projekt, an dem Sie gearbeitet haben, macht Sie besonders stolz?

Ich bin ziemlich stolz auf Decodex – ein Tool, das wir bald veröffentlichen, um Lesern bei der Enthüllung von Webseiten für Falschmeldungen zu helfen – und auf unsere gemeinsame Arbeit mit französischen Forschern, durch die wir die Faktenprüfung und Entlarvung von Falschmeldungen autmotatisieren wollen. Dieses Projekt, das wir vor zwei Jahren begannen, nennt sich Content Check. Wir haben rund sechs französische Forscherteams, hauptsächlich aus den Informations- und Computerwissenschaften, die mit uns zusammenarbeiten. Das Ziel des Tools ist es, Lesern oder Zuschauern mehr Hintergrundinformationen zu Themen und Sachverhalten zu geben.

Stellen Sie sich also vor, ein Politiker oder eine Politikerin äußert sich über das Thema Arbeitslosigkeit. Das Tool überprüft daraufhin die jeweilige Aussage und versteht deren Inhalt. Als nächstes sucht es nach einer Datenbank, greift auf die aktuellsten Daten zur Arbeitslosigkeit zu und leitet diese an die Leser weiter, damit sie die Zusammenhänge der Informationen direkt und in Echtzeit nachvollziehen können. Das ist das oberste Ziel des Projekts.

Wir haben bereits ein Tool, das Teil von Decodex sein wird und in der Lage ist, Quellen in Texten ausfindig zu machen. Wir arbeiten mit Spezialisten für Natural Language Processing – einer Technologie zur Verarbeitung natürlicher Sprache – zusammen, sowie mit einer weiteren, auf Datenbanken spezialisierten Forschungseinheit. Diese arbeitet momentan an einer Datenbank, von der Content Check Statistiken in Echtzeit beziehen kann und die hoffentlich gegen Ende des Jahres verfügbar sein wird.

Welche Kompetenzen sind heutzutage am wichtigsten für die Arbeit auf diesem Gebiet?

Natürlich muss man zäh genug sein, um Belästigungen online standhalten zu können. Aber hauptsächlich braucht man Skepsis, Entschlossenheit und auch ein paar Statistik-Kenntnisse können hilfreich sein. Im Datenjournalismus und für das Prüfen von Fakten muss man manchmal Mittelwerte, Varianzen oder mathematische Ziffern kalkulieren und Zusammenhänge verstehen können, um falsche Annahmen zu vermeiden. Von daher kann statistisches Wissen hilfreich sein und es handelt sich dabei auch um sehr simple Statistiken, es ist also nichts kompliziertes. Am wichtigsten ist es, im Umgang mit Ziffern und Zahlen gründlich und seriös zu sein.

Was sollten wir den Leuten beibringen, damit sie kritischer beim Lesen von Nachrichten werden?

Man sollte einem Bild oder einem Video niemals vertrauen und die Dinge immer zur Sicherheit mit anderen Quellen abgleichen, bevor man etwas teilt. Man sollte immer erst nachdenken und sich nicht von seinen Emotionen täuschen lassen. Auch auf Verschwörungstheorien sollte man nicht hereinfallen.

Wenn Sie 5 Millionen Dollar hätten, was würden Sie tun, um die Probleme im Sumpf der Fehlinformationen zu bewältigen?

Ich würde wahrscheinlich etwas auf die Beine stellen, wo junge Menschen lernen, wie man Nachrichten richtig liest. Eines der Hauptprobleme dieses Fake-News-Zeitalters besteht darin, dass die jungen Menschen, die am meisten im Internet surfen und sich am meisten über das Internet informieren, keine wirkliche Ahnung haben, wie das Internet funktioniert.

Jedes Mal, wenn ich mit Schülern oder Studenten rede, sind ein paar von ihnen verwirrt und haben Fragen was Quellen angeht. Sogar Journalismusstudenten geht es so. Wenn ich Vorlesungen halte, kommen manche zu mir und sagen “Ich habe etwas gefunden” und dann schaue ich mir die Webseite an und sage “Was zur Hölle? Das ist Schwachsinn.” Doch sie können es nicht sehen. Und auf der anderen Seite hast du Menschen, die sagen “Das ist eine offizielle Stellungnahme, doch wie wissen wir, dass sie echt ist?“ Es ist schon richtig, Dinge zu hinterfragen, doch wenn man niemandem mehr vertraut, dann wird es wirklich kompliziert.

Gibt es irgendwelche Organisationen, die großartige Arbeit leisten und von denen Sie sich wünschten, sie seien bekannter?

Es gibt einige Faktenprüfungsprojekte von Bürgern in anderen Ländern, die man sich unbedingt angucken sollte, wie zum Beispiel StopFake in der Ukraine. Diese Faktenprüfer arbeiten oftmals ohne Bezahlung und riskieren ihr Leben für diese Arbeit, also verdienen sie es auch, bekannt zu sein.

Wie lautet der beste Ratschlag, den Sie für ihre Art von Arbeit jemals erhalten haben?

“Liebe diejenigen, die dich hassen, denn sie sind deine größten Fans”, ein Zitat des großartigen Philosophen Kanye West.

Was tun Sie, um am Ende eines Arbeitstages abzuschalten?

Mein Neujahrsvorsatz ist es, nicht länger auf Trolle zu reagieren und bislang war ich dabei recht erfolgreich. Hauptsächlich versuche ich, mein Telefon und meinen Computer für mindestens zwei Stunden am Abend abzuschalten, um mit meiner Tochter zu reden und zu spielen. Außerdem mache ich am Wochenende Dinge, die komplett ohne Internet funktionieren, wie Gartenarbeit oder Kochen.

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